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Kommunen im Kreis GT gehen nicht genug gegen Flächenfraß vor GNU-Umfrage über „Altstandorte und Leerstände“ lässt viele Fragen offen



[1] Verantwortung für Grund und Boden. Hier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom bereits am 12.Januar 1967 (BVerfE Bd. 21, S. 73): „Weil der Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, hat das BVerfG die Sozialpflichtigkeit des Eigentums an diesem Rechtsgut besonders hervorgehoben.“

Danach kann die Nutzung von Grund und Boden nicht dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen überlassen werden: „eine gerechte Recht- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern. Der Grund und Boden ist weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögensgütern ohne weiteres gleichzustellen. Das Gebot sozialgerechter Nutzung ist...nicht nur eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers, sondern in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber, bei der Regelung des Eigentumsinhaltes das Wohl der Allgemeinheit zu beachten. Es liegt hierin eine Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat“ (BVerfG a.a.O).

Steinhagen. Im Kreis Gütersloh werden weiter in großem Umfang landwirtschaftliche Flächen und Naturraum für Straßen, Gewerbe oder Wohnen verbaut. Nach Angaben von Information und Technik NRW sind von 1992 bis 2013 nahezu 4000 Hektar an Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzugekommen. Mittlerweile sind das 21.000 Hektar, ein Fünftel des Kreisgebietes. In Ostwestfalen-Lippe werden neben dem Kreis Paderborn im Kreis Gütersloh am meisten naturnahe oder landwirtschaftliche Böden für solche Zwecke geopfert, anstatt Altstandorte und Leerstände intensiver zu nutzen und auf eine Flächen sparende Bauweise zu setzen. Die Gemeinschaft für Natur und Umweltschutz e.V. (GNU) hat deshalb im Herbst 2015 mit Unterstützung der Stiftung für die Natur Ravensberg die „Umfrage Altstandorte und Leerstände“ gestartet und den 13 Kommunen des Kreises Gütersloh einen Fragenkatalog zugesandt. Zehn Kommunen haben mehr oder weniger detailliert geantwortet, drei nicht: Schloß-Holte Stukenbrock, Langenberg und Herzebrock-Clarholz“, sagt GNU-Sprecherin Marion Ernsting. „Die Antworten zeigen, dass die meisten Kommunen den nachhaltigen Umgang mit Boden ernst nehmen. Sie zeigen teilweise auch, welche Faktoren u.a. die zwingend notwendige Wende im rasanten Flächenverbrauch behindern. Und sie zeigen, welche Daten bisher nicht zu Rate gezogen wurden.“
Die Ergebnisse im einzelnen:
Daten über Altstandorte und Leerstände sind nicht durchgehend erfasst. Mancherorts werden sie sogar als nicht notwendig erachtet (s.a. unter Harsewinkel, S. 8 der Umfrage ).

Besorgniserregend ist die unverminderte Ausweisung neuer Baugebiete. Kommunen bewerben offensiv „neue Wohngebiete im Grünen“, wollen andererseits aber den Schutz von Freiflächen sicherstellen (Werther, Blotenberg). Und es werden unverantwortlich viele Grün- und Ackerflächen und Landschaftsschutzgebiete zu Wohngebieten umgewandelt, obwohl es andernorts bereits genutzte Flächen mit leer stehenden Immobilien gibt (Halle: Klingenhagen, Wohntürme „Sandkamp“).

Die GNU kritisiert, dass sich die Kommunen dem wirtschaftlichen Druck nach neuen Flächenausweisungen oft sehr schnell beugen. So hat Verl anscheinend auf Druck der Nobilia-Werke im Landschaftsschutzgebiet eine 24 Hektar große Fläche zur Erweiterung des Betriebes beantragt. Derzeit läuft dazu das sogenannte Regionalplanänderungsverfahren. Falls dieses Vorhaben durchgedrückt würde, sind massive ökologische Schäden zu erwarten. (Wir starten daher bereits mit der „Nobilia-Erweiterung“ unsere Fotodokumentation „Ist Freiraum nur Bauraum?“)

Über Einsparungen von Stellplätzen, wenn ein gutes ÖPNV-Angebot besteht, wird nicht nachgedacht.

Unbekannt ist auch, ob die Verlagerung von Betrieben von einer Kommune in eine andere mit einer Erhöhung der allgemeinen Beschäftigung einhergeht.

Unbekannt ist ebenso, wie viele Freiflächen welcher Art bereits im Außenbereich in Anspruch genommen wurden.

Bedenklich sind neue Ausweisungen von Gewerbeflächen in der freien Landschaft, obwohl es Reserveflächenüberhänge gibt. Seit über zehn Jahren sind Kommunen durch den Regionalplan der Bezirksregierung aufgefordert, die „teilweise erheblichen Reserven an betriebsgebundenen Flächen“ anderweitig nutzen zu lassen. Besorgniserregend ist der Flächenverbrauch durch Logistikunternehmen und großflächigen Einzelhandel (Versmold/Borgholzhausen, Halle).

Auch übergeordnete Stellen setzen dem „Flächenfraß“ keine ausreichenden Grenzen. Unserer Meinung nach sorgen Bezirksregierung und Land NRW noch zu wenig dafür, dass die Flächen sparenden Regeln des Raumordnungs- und des Baugesetzbuch strikt umgesetzt werden.

Es fehlt ein entschiedenes Umsetzen eines kommunalen Flächenmanagements, wie es z. B. der Rat der Stadt Werther in „Kommunales Flächenmanagment – Entwicklungschancen für die Kommunen“ bereits beschlossen hat (siehe auch Anregungen durch „Allianz für die Fläche“).

Positiv hervorzuheben sind zahlreiche Sanierungen und Umnutzungen von Altstandorten und Brachflächen, etwa in Gütersloh und Rheda-Wiedenbrück.

GNU-Sprecherin Marion Ernsting erinnert daran, dass bereits 1985 Bund und Länder in einer „Bodenschutzkonzeption“ zu Flächen sparendem Bauen aufgefordert hatten. „30 Jahre später geht die Zersiedlung unvermindert weiter, als wäre Boden und Landschaft unendlich verfügbar“, kritisiert Ernsting. „Freiraum ist kein Bauraum. Es geht jetzt darum Bauraum mit modernen Mitteln umzunutzen.“ Hier müssen Bund, Länder, Kommunen und auch die Wirtschaft noch radikaler umdenken. Kritik übt Ernsting in dem Zusammenhang auch an der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld: „Für die IHK ist der sparsame Umgang mit Freiflächen absolut kein Thema. Ganz im Gegenteil! Von der IHK werden nur solche Kommunen und Initiativen besonders gelobt, die schnell, großzügig und kritiklos alle Flächenwünsche der Firmen befriedigen.“ (siehe auch die Detmolder Erklärung)

Wir sind heute dafür verantwortlich, dass die uns übertragene Umwelt morgen noch zur Verfügung steht. Dafür setzen sich die Stiftung für die Natur Ravensberg und die Gemeinschaft für Natur und Umweltschutz im Kreis Gütersloh e.V. ein –bevor wir als Ballungsraum dazu gezwungen sind!

Die Umfrage und ihre erste Auswertung erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist eine Zwischenbilanz. Die GNU und die Stiftung für die Natur Ravensberg fordern dazu auf, keine Zeit mehr zu verlieren und die vorhandenen Konzepte energisch umzusetzen.

Informationen:

Marion Ernsting, Tel. 05204-3976.
Lüdeke Horn, Tel. 05201- 665574

Umfrage Altstandorte und Leerstände – PDF Download

Beispiel Nobila-Erweiterung – PDF Download

Flächenfraß Kreis Gütersloh 2016 – PDF Download

Wenn es um Wirtschaftsinteressen geht, ist der Naturschutz heute nur zu oft keinen sprichwörtlichen Pfifferling mehr wert. Immer wieder entscheiden sich Gemeinden und Behörden lieber kurzsichtig für angeblich mehr Gewerbesteuer als mit Weitblick für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und eine nachhaltige Wirtschaft.

In diesem GNU-Spezial wollen wir dafür ein besonders drastisches, aber leider auch typisches Beispiel aufgreifen: das Verfahren, das den Weg frei machte für das umstrittene Gewerbegebiet Brockhagen-Ost in Steinhagen. In Brockhagen sorgten Gemeinde, Kreis Gütersloh und Bezirksregierung Detmold gemeinsam dafür, dass der Wettkampf zwischen Natur und Wirtschaft zu einem ungleichen Schlagabtausch verkam, in dem die Natur bereits in der ersten Runde k.o. ging.

Der Grund: beim Genehmigungsverfahren wurden geschickt gesetzliche Vorschriften und vorgeschriebene Beteiligungsverfahren unterlaufen und damit auch die Naturschutzverbände ausgetrickst. Jetzt wird ein unersetzliches Stück freie Landschaft unwiderruflich zerstört und das nur, weil die Gemeinde Steinhagen ihrer Nachbarstadt Halle einen einzigen Unternehmer abwerben wollte. Der hätte nämlich auch in Halle bauen können – ohne zusätzliches Naturopfer. Der einzige Gewinn: in Steinhagen ging es etwas schneller – leider auch mit der Zerstörung unserer wertvollsten Ressourcen.

Ähnlich einfallsreich und mit denselben zerstörerischen Wirkungen wie in Brockhagen ist vor einigen Jahren das Gewerbegebiet „Am Bahnhof“ in Rietberg in das Überschwemmungsgebiet des Sennebaches platziert worden und werden gerade aktuell auf der „Marburg“ die Flächen für ein „interregionales Gewerbegebiet“ abgesteckt, eine Wortschöpfung, die zwar nicht die Tatsachen vor Ort ändert aber als juristischer Trick erst die Planung im Grünen ermöglichte. Auch das Beispiel Brockhagen-Ost ist für uns als GNU Anlass, fragwürdige Praktiken von Behörden und Politikern unter die Lupe zu nehmen, die im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen nicht nur einseitig wirtschaftlichen Interessen den Vorzug geben dürfen – sie haben den gesetzlichen Auftrag, für uns alle eine Zukunft zu sichern. Und dafür ist eine intakte Natur überlebensnotwendig.




Bodenlos PDF Download
Wenn Sie interesse an dem zugehörigen "GNU-Spezial" dazu haben, dann mailen Sie uns bitte.

Inhaltsverzeichnis „Bodenlos – Der Umgang mit dem Freiraum“

Einleitung
Theorie und Praxis – Steinhagen und seine Gewerbeland-Politik
Heftig umworben: die Firma Hörmann
Heftig überplant: Brockhagen-Ost
Mit Trick 17 zum Gewerbegebiet
Steinhagen und seine Helfershelfer
Die „Abwägung“ der Interessen
Wie Politiker argumentieren
Warum regt sich die GNU so auf?
Was können wir tun?
Chronologie der Ereignisse
Anhang: Gesetzestexte